Bericht zur Herbsttagung der biodynamischen Auszubildenden
„Alles kommt wieder, nichts bleibt wie es ist, alles ist im Wandel in diesem Universum.“Hermann Hesse, aus Siddhartha
Klimawandel, Migration, Agrar-Industrie, weltweite antidemokratische Bewegungen, globaler Finanzkapitalismus. Alles ist dynamisch und doch spüren wir immer mehr die Notwendigkeit für einen Wandel. Zu möglichen Lösungsansätzen aus den Bereichen Soziales, Landwirtschaft und Ökonomie setzten wir uns vom 10. bis 13. Oktober 2019 in der Lebensgemeinschaft Bingenheim auseinander. Mit über 200 Lehrlingen, Gästen und Interessierten von über 60 Betrieben aus ganz Deutschland war die Herbsttagung ein Ort zum Austauschen, Lernen, Ideen entwickeln, sich vernetzen und Erreichtes feiern.
Was folgt nach diesen intensiven Tagen?
Werden wir uns in Zukunft vielleicht mit Soziokratie organisieren, unsere Nahrung in halboffenen Waldlandschaften sammeln und sich Werte wie Bodenfruchtbarkeit auch finanziell auszahlen? Wir nehmen viele neue Impulse mit auf unsere Betriebe und aus den Samen der Tagung kann Neues wachsen: Mehr gemeinsamer Austausch in unseren Hofgemeinschaften, mehr Bäume und Hecken auf unseren Äckern und Wiesen und vielleicht auch den wirtschaftlichen Druck auf mehr als einen Kopf zu verteilen.
Wandel und Beständigkeit im Wechsel
Die Herbsttagung findet jedes Jahr woanders statt, aber für mich ist sie ein Ort, an den ich schon das fünfte Mal zurückkehre. Es sind immer diese Turnhallen, in denen wir sitzen. Immer diese Lieder, die wir singen und immer diese Themen, die wir bearbeiten. Irgendwie ist alles gleich, aber jedes Jahr ist es speziell. Neue Lehrlinge kommen dazu, die alten gehen. Letztes Jahr erst habe ich die Tagung mitorganisiert, jetzt schreibe ich meine Jahresarbeit und bald bin ich fertig und kein Lehrling mehr.
Über das Motto von diesem Jahr kann man sehr viel nachdenken. Was und wo ist dieser Wandel und was habe ich damit zu tun? Erstes Futter für diese Gedanken brachten drei Vorträge, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln und Stimmungslagen den Wandel angingen: Arne Bollinger zeigte uns eine spielerische soziale Utopie. Es schien alles möglich, von Zukunftsreisen und der Rettung der Welt bis zur Beschaffung von zwei schönen Sesseln für einen Bauwagen. Der zweite Vortrag von Philipp Gerhardt (www.baumfeldwirtschaft.de) streute kühne Innovationen auf guter handwerklicher Basis: Er legte uns fließende, wellenförmige Strukturen für die Landwirtschaft ans Herz, für den kleinen Garten und den großen Acker. Und Bäume, vor allem die Esskastanie. Der Vortrag von Christian Hiß, Gründer der Regionalwert AG Freiburg, betrachtete den wirtschaftlichen Wandel, und stellte uns anhand von persönlichem Erfahrungsschatz das Konzept der regionalen Ernährungssouveränität vor. Auch die Kurse schlängelten sich um soziale Themen, Ökologie, Landwirtschaft und Ökonomie. Die bewährten Kurse Mensch-Tier-Kommunikation, Obstbaumschnitt oder Kontakt-Improvisation gab es natürlich auch.
Das war der Input, der Rest liegt bei uns.
Ist die Herbsttagung eine Insel, oder tragen wir alle diese Ideen in die Welt? Eine Welt, die weiter ist, als die Freie Ausbildung und die Demeter-Szene. Eine Welt, die eben nicht stillsteht und neben einigen Bedrohungen immer noch Hoffnungen liefert. Auch Fridays for Future war ein Gesprächsthema, genauso wie Extinction Rebellion, eine neue Umweltschutz-Gruppe gegen das Artensterben und Klimawandel. Es gab sogar ein Solidaritäts-Gruppenfoto für Free the Soil, einem Protestcamp gegen eine der größten Kunstdüngerfabriken Europas in Brunsbüttel. Ein Gegenstück zum Klischee, dass die Demeter-Lehrlinge nur singen, tanzen und in der eigenen Suppe rühren.
Natürlich wurde auch gesungen, getanzt und vorm Lagerfeuer und in einem selbst eingerichteten Café gesessen. Für mich war die Herbsttagung mal wieder ein Feuerwerk an Begegnungen. Einmal im Jahr so viele Gleichgesinnte zu treffen gehört für mich zu den Highlights der Ausbildung.
Nun bereiten die nächsten Lehrlinge die kommende Tagung 2020 vor. Da sind sie wieder: die Beständigkeit und der Wandel. Ich gehe wieder zurück auf meinen Hof und sehe dann, welche Impulse ich weitergeben kann.
Jonas Schrinner (Orga-Team), Grischa Stanskiy (Teilnehmer)