„Wir sind die, auf die wir gewartet haben – wie werden unsere Visionen wirksam?“ Rund 300 Demeter Landwirtschafts- und Gärtnerei-Lehrlinge diskutieren in Gera die Zukunft der Landwirtschaft
Ein weltumspannendes Netzwerk von regionalen und lokalen Kleinbetrieben, in dem Produkte undFertigkeiten ausgetauscht werden“ das war eine der Zukunftsvisionen für eine lebendige Landwirtschaft, die Demeter-Auszubildende aus Schleswig-Holstein, Thüringen, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Hessen vergangene Woche in Gera entwickelt haben. Unter dem Motto „Visionen schlagen Wellen haben sich vom 19. bis zum 23. Oktober rund 300 Landwirtschafts- und Gärtnerei-Lehrlinge der Freien-Demeter-Ausbildung in der Freien Waldorfschule Gera zu ihrer Jahrestagung 2016 getroffen, um gemeinsam Impulse für einen Wandel in der Landwirtschaft zu entwickeln. „Unsere Träume müssen den Arsch hochkriegen, brachte eine Teilnehmerin das Motto der Tagung unmissverständlich auf den Punkt.
Wie wollen wir künftig in der Landwirtschaft arbeiten? Wie wollen wir auf den Höfen leben? Wie stellen wir uns eine lebendige biologisch-dynamische Landwirtschaft vor? Zu diesen Fragen entwickelten die Auszubildenden eine Reihe von Ansätzen. Zu den eher gesamtgesellschaftlichen Visionen zählten etwa: Landwirtschaft als fester Bestandteil des Bildungsplans in Schulen, generell mehr Wertschätzung in der Gesellschaft für körperliche Arbeit sowie eine gelebte Fehlerkultur, in der Scheitern nicht nur erlaubt, sondern als elementar für lebenslanges Lernen begriffen wird.
Traditionsgemäß wird die jährliche Zusammenkunft aller Demeter-Auszubildenden aus dem Norden, Osten und der Mitte Deutschlands gemeinschaftlich von den Auszubildenden des jeweils dritten Lehrjahrs selbst organisiert. Die Freie-Demeter-Ausbildung dauert vier Jahre. Ziel der Jahrestagung ist es, die junge biologisch-dynamische Bewegung zu vernetzen und Austausch und gemeinsames Lernen in zahlreichen Workshops zu ermöglichen. Die Dozenten kamen aus ganz Deutschland angereist.
Zum Abschluss der Tagung wurden die Visionen für eine Landwirtschaft 2025 in einer Podiumsdiskussion erörtert und vertieft. Teilnehmer der Diskussion waren Dr.Tobias Hartkemeyer (Handlungspädagoge und Gründer vom CSA Hof Pente) Klaus Strüber (Berater für Solidarische Landwirtschaft und Spezialist für Pferdearbeit) und Severin von Hoensbroech (Diplom. Psych., Schauspieler und Demeter Landwirt in Köln auf Schloss Türnich. Sie Diskutierten gemeinsam mit dem Moderator Dan Felix Müller und dem Publikum. Wie kriegen wir unser Thema auf die Straße?
Dr. Tobias Hartkemeyer ist überzeugt, dass dies nur über Bildung funktioniert. Hierzu entwickelt er auf seinem eigenen Hof einen Ort der Begegnung und des Austauschs, an dem Kinder ohne Grenzen sinnvoll lernen und beobachten können. Eine sinnentleertes Schulsystem, in dem alles vorbestimmt und reglementiert ist, könne schwerlich mündige Bürger hervorbringen, die ihr eigenes Tun hinterfragen und einen anderen Umgang mit unserer Umwelt pflegen.
„Wir sind die, auf die wir gewartet haben – wie werden unsere Visionen wirksam?“ Wesentliche Aussagen aus der Podiums-Diskussion zum Abschluss der Tagung
„Du bekommst die Menschen nicht über das Problem. Du musst sie begeistern!“ Wir wollen Lust auf gute Landwirtschaft erzeugen statt schlechte Gewissen. Menschen haben ein großes Bedürfnis nach Sinn! Über die Herzen können wir sie gewinnen. (Severin von Hoensbroech) Lasst uns lernen, den Mehrwert transparent zu machen, der durch biologisch-dynamische Landwirtschaft geschaffen wird (z.B. Humus-Auf- statt Abbau, Klimaschutz, Landschaftsgestaltung, Bildungsraum etc.).(Severin von Hoensbroech)
Kapital ist viel mehr als Geld! Lasst uns lernen, richtig zu rechnen. (Aus dem Publikum)
Um die Welt zu verändern brauchen wir eine Revolution der Begrifflichkeiten! Lasst uns Arbeit, Wirtschaft, Geld, Kapital, Spiel und Freizeit neu denken! (Klaus Strüber) Wirkliche Schule braucht Menschen, Tiere, Pflanzen, Boden und Maschinen. Lasst uns die Höfe zu Erlebnis-, Bildungs- und Begegnungsräumen machen! Die Handlungspädagogik bietet konkrete Anknüpfungspunkte. (Tobias Hartkemeyer)
Demeter-Landwirtschaft ist echte Kulturarbeit! Lasst uns auf den Höfen nicht nur arbeiten, sondern auch singen, tanzen und Menschen begegnen (Aus dem Publikum)
„Mach das Problem zur Lösung!“ Probleme (z.B. Arbeitsbedingungen, Planetary Boundaries) verstehen, aber auf Lösungen und Schritte zur Umsetzung fokussieren (Severin von Hoensbroech) Wir haben und brauchen gute Leute an wichtigen Stellen, z.B. auch in Brüssel bei der EU. Eine nützliche politische Forderung könnte es sein, Subventionen pro Kopf statt pro Hektar vorzuschlagen (Tobias Hartkemeyer)
Soziale Dreigliederung, Waldorf-Pädagogik und Demeter sind etwa 100 Jahre alte Bewegungen aus der Anthroposophie“ lasst sie uns stärker zusammenbringen“ auch mit Ideen und Bewegungen wie Solidarische Landwirtschaft, den Regionalwert-AGs, der Gemeinwohlökonomie und anderen. (Severin von Hoensbroech)
Traut euch, eure eigene Form der Landwirtschaft in die Welt zu bringen. Fangt jetzt die Betriebe an, die ihr wirklich wollt“ tretet mit Mut ins Unbekannte! Liebt und respektiert eure Kunden! (Klaus Strüber).
Jochen Groß, 3. Lj. Freie Ausbildung Demeter NRW & Hessen