Gemüsebau biologisch-dynamisch
und 40 Kulturen sowie Kleegras und Leguminosen baut das biologisch-dynamisch wirtschaftende Unternehmen auf 20 ha Freiland, 1 000 m2 in Folienhäusern und 1 300 m2 in Gewächshäusern an. Unter Glas erfolgt auch die Anzucht der Jungpflanzen. Neben gängigem Gemüse, wie Möhren, Blumenkohl oder Feldsalat, produziert der Gärtnerhof auch ausgefallenere Produkte, wie Aubergine, Asiasalat, Fenchel oder Zuckerhut. Die Arbeitsbesprechung war für die drei Frauen nicht der erste Schritt in den Arbeitstag. Schon um 7.00 Uhr geht es jeden Morgen los. Vor der Arbeitsbesprechung haben sie deshalb schon einiges geleistet und unter anderem Basilikum geräumt, Radieschen und Rucola im Folienhaus abgeerntet und danach die freien Flächen bearbeitet. Da alle drei in einer Wohngemeinschaft auf dem Betriebsgelände wohnen, ist der frühe Start in den Tag für sie gut zu schaffen. Bevor den drei Frauen der Ausbildungsvertrag sicher war, hatten sie bereits eine Woche zur Probe auf dem Betrieb mitgearbeitet |
und dabei nicht nur den Gemüsebau, sondern auch die Menschen, mit denen sie zukünftig zusammenarbeiten sollten, kennen gelernt. „Für mich ist es entscheidend, dass die jungen Leute, die sich bei uns bewerben, ein echtes Interesse an den Pflanzen und am Zusammenwirken in der Natur mitbringen. Sie müssen Spaß daran haben, die Natur zu beobachten. Das Beobachten ist nämlich eines der wichtigsten Dinge bei unserer Arbeit, um etwa Pflanzenkrankheiten an einer Kultur frühzeitig zu erkennen, oder auch den Reifegrad des Gemüses richtig einschätzen zu können. Bewerber mit Hauptschulabschluss sind dabei genau so willkommen wie Abiturienten“, beschreibt Betriebsleiter Burkhardt Tillmanns die Anforderungen an den Berufsnachwuchs. „Eine normale körperliche Konstitution reicht heutzutage im Beruf aus. Allerdings sollten die jungen Leute auch extreme Witterung aushalten können“, betont Betriebsleiter Tillmanns. „Auch bei minus zehn Grad muss man im Winter Spaß daran haben, Rosenkohl zu pflücken“ bestätigt Brinja Mücke, | die auf dem Betrieb gerade ihr drittes Lehrjahr absolviert.
Früh Verantwortung, übernehmen Viel Wert legt Ausbilder Tillmanns darauf, den Lehrlingen möglichst früh einen kleinen eigenen Verantwortungsbereich zu übertragen. Brinja Mücke vermarktet zum Beispiel die Produkte des Hofs an einem Tag auf einem Wochenmarkt. „Ich finde es Klasse, den Marktstand mit frischen Produkten zu bestücken und dann mit Kunden ins Gespräch zu kommen“, beschreibt sie die Highlights ihrer Arbeit. Johanna Fellner, ausgebildete Schneiderin und nun im zweiten Lehrjahr als Gärtnerin, ist dafür verantwortlich, dass die Gemüsekisten wöchentlich zum Packen bereitstehen. Rund 500 Stück liefert der Gärtnerhof pro Woche an Haushalte. „Viel Spaß hat mir bisher aber auch die Arbeit mit Maschinen gemacht, wie beispielsweise das Pflanzen von Salat oder Fenchel mit der Pflanzmaschine“, sagt Johanna Fellner. „Ziemlich nervig ist dagegen das ständige Auf- und Abdecken von Netzen, mit denen zum Beispiel Kohl vor fliegenden Schädlingen geschützt wird“, fügt sie hinzu. Das sehen ihre beiden Mitauszubildenden ganz genau so. |
„Die Früchte der eigenen Arbeit ernten“, wie in diesem Fall Paprika, das macht (v. l. n. r.) Brinja Mücke, Johanna Fellner und Heike Martens viel Spaß. |
Einige der Gemüsesorten, wie zum Beispiel Radieschen, müssen vor der Vermarktung gewaschen werden. Johanna Fellner (l.) und Brinja Mücke zeigen, wie es geht. |
Berufsschulluft haben die drei Auszubildenden bisher nicht geschnuppert. Sie durchlaufen die vierjährige so genannte Freie Ausbildung für Biologisch-Dynamischen Landbau in NRW, Hessen und Norddeutschland. Neben der Vermittlung von praktischen Fertigkeiten wird selbstverständlich auch die Theorie, unter anderem in monatlich stattfinden Seminaren, vermittelt. „Die Seminare finden fast immer auf Praxisbetrieben statt, verbunden mit Betriebsrundgängen. Wenn wir unsere Ausbildung abschließen, haben wir deshalb schon in sehr viele Betriebe Einblick erhalten“, berichtet Heike Martens. „Eine weitere Besonderheit ist, dass es in den Seminaren nicht nur ums Gärtnern geht, sondern zum Beispiel auch um Tierhaltung und Ackerbau. Wir kommen also auch mit Auszubildenden aus Betrieben mit anderen Schwerpunkten zusammen“, fügt sie hinzu. Im Gegensatz zu einem generellen Spezialisierungstrend in der konventionellen Landwirtschaft gelten als Leitbild des biologisch-dynamischen Land- und Gartenbaus vielfältige Gemischtbetriebe mit Tierhaltung, Acker-, und Gartenbau. Durch das intensive Miteinander von Pflanzen und Tieren soll sich auf jedem Betrieb ein betriebsindividueller, | aber in sich geschlossener Hoforganismus herausbilden, lautet das Ziel der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise.
Zweifacher Abschluss nicht selten Freie Ausbildung heißt aber nicht frei von Büffeln, Anstrengung und Prüfungsstress, denn auch zum Ende der freien Ausbildung muss der Berufsnachwuchs seine Kenntnisse und Fähigkeiten unter Beweis stellen: Zu Beginn des dritten Lehrjahres gibt es deshalb eine schriftliche und mündliche Zwischenprüfung. Den Abschluss im vierten Jahr bilden die Jahresarbeit und eine praktische und theoretische Prüfung. Heike Martens geht im Rahmen ihrer Jahresarbeit gerade der Entstehungsgeschichte und den Eigenschaften der Böden des Gärtnerhofes Röllingsen im wahrsten Sinne des Wortes auf den Grund. „Ich habe mir dieses Projekt vorgenommen, weil es mich selbst sehr interessiert, und auch Herr Tillmanns fand es spannend, mehr über die Böden des Betriebes zu erfahren. Bisher habe ich schon ein Bodenprofil gegraben und eine Expertin für Böden hinzugezogen, die mir vieles gezeigt und erläutert hat“, beschreibt Heike Martens ihre Aktivitäten im Rahmen der Jahresarbeit. |
Nach Beendigung ihrer freien Ausbildung wollen sich Johanna, Brinja und Heike auf jeden Fall auch zur staatlichen Abschlussprüfung anmelden, um sich alle Möglichkeiten für ihr weiteres Berufsleben offen zu halten. „Wenn die jungen Leute die freie Ausbildung durchlaufen haben, schaffen sie in der Regel auch die staatliche Abschlussprüfung“, lautet die Erfahrung Tillmanns. Im Gegensatz zum staatlich geregelten Ausbildungsweg kann die freie Ausbildung erst von Jugendlichen ab 18 Jahren begonnen werden. Ein paar Vorstellungen, wie sie nach der Ausbildung arbeiten wollen, haben die drei Auszubildenden schon. „Ich glaube, nach der vierjährigen Ausbildung sollte man in der Lage sein, einen Teilbereich in einem Betrieb zu verantworten und selbstständig zu organisieren. Ich könnte mir vorstellen, dass das ein Betrieb ist mit Schwerpunkt Vermarktung oder aber auch eine Art Schulbauernhof“, sagt Brinja Mücke. Johanna Fellner würde auch gerne einen eigenen, möglichst vielseitig aufgestellten Hof bewirtschaften, auf dem gemeinschaftlich gelebt und gearbeitet wird. Und Heike Martens wünscht sich eine Arbeit, bei der sie ihre gärtnerischen Fähigkeiten und ihre Erfahrung als Heilerziehungspflegerin einfließen lassen kann. |
Freie Ausbildung oder Ausbildung gemäß Berufsbildungsgesetz?
Die „Freie Ausbildung“ wurde in den 90er Jahren in NRW und Hessen ins Leben gerufen, um den im biologisch-dynamischen Landbau geforderten Inhalten gerecht zu werden. Während die klassische Berufsausbildung gemäß Verordnung in drei Jahren ausschließlich in der gewählten Fachrichtung durchlaufen wird, arbeitet die „freie Ausbildung“ fachrichtungs- und berufsübergreifend. Neben Ausbildungsinhalten der gärtnerischen Fachrichtung Gemüsebau werden in insgesamt vier Jahren auch landwirtschaftliche Inhalte, wie Tierhaltung und Ackerbau, vermittelt. Die Teilnehmer der „Freien Ausbildung“ können, die entsprechende schulische oder berufliche Vorbildung vorausgesetzt, nach vier Jahren auch die staatliche Abschlussprüfung absolvieren. Diese Möglichkeit räumt das Berufsbildungsgesetz mit der Externenprüfung gemäß § 45.2 ein. Neben dem positiven Engagement der Initiatoren, eine Ausbildung im biologisch-dynamischen Landbau motiviert und erfolgreich zu installieren, bleibt die kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff „Freie Ausbildung“: Da der Begriff „Ausbildung“ per Gesetz definiert ist, sollte dieser außerhalb der klassischen Berufsausbildung nicht verwendet werden.
MARTIN BIETENBECK.
LANDWIRTSCHAFTSKAMMER NORDRHEIN-WESTFALEN